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Im Herbst 2021 erhielt die Kustodie überraschend ein verloren geglaubtes Fragment eines Kunstwerks zurück, das der Staatliche Kunsthandel der DDR in den 1960er Jahren verkauft hatte: Der verloren gegangene Christuskopf für den sechs Meter hohen Epitaph für den Juristen Hieronymus Kromayer (1610 – 1670). Das Leipziger Universitätsmagazin berichtete. Nun konnte im Rahmen der Wartungsarbeiten im Paulinum Anfang September das fehlende Teilstück endlich wieder am Original montiert und somit ein weiteres Kunstwerk vervollständigt werden. Doch der Kopf sieht nach der Restaurierung anders aus, als gedacht.

Bei dem wiedergefundenen Stück handelt es sich keinesfalls um irgendein Fragment eines Epitaphs - denn schließlich fehlen noch bei einigen Gedächtnismalen marginale Teile, wie Finger oder Arme. In diesem Fall wurde allerdings ein immens wichtiges Element an die Kustodie zurückgegeben: der Kopf der Christusfigur, die das etwa sechs Meter hohe Epitaph für den Theologen Hieronymus Kromayer (1610 – 1670) von 1683 krönt. Seit der Neuhängung des Kunstwerks im Paulinum 2014 war der fehlende Kopf der aus Alabaster gearbeiteten Figur durch eine zweidimensionale Ergänzung aus Metall ersetzt worden, angefertigt durch den Hallenser Metallbildhauer Thomas Leu. Dabei versah er die Oberfläche einer Aluminiumplatte mit einem Rasterdruck nach der Vorlage einer historischen Fotografie aus den 1950er Jahren, und so entstand ein Eindruck von der Plastizität des fehlenden Kopfes. Im Gegensatz zu vielen anderen sehr gelungenen Ergänzungen wirkte die flache Metallplatte an dieser Stelle aber immer ein wenig wie ein Fremdkörper auf der plastischen Figur. Allerdings sollte Christus als Weltenherrscher auf dem Epitaph nicht "kopflos" erscheinen, auch um eine Identifizierung der Figur zu erleichtern. Bei anderen Epitaphfiguren, die für die Aussage des Kunstwerks keine zentrale Rolle spielten, wie bei Assistenzfiguren, wurden hingegen keine Ergänzungen vorgenommen.

Die Rückgabe des Kopfes an die Kustodie ist ein wahrer Glücksfall. Im Herbst 2018 sprach ein Besucher eine Aufsichtskraft im Paulinum an und teilte mit, dass sich ein Teil eines Epitaphs in seinem Besitz befände. Als junger Student habe er einen Kopf aus Alabaster wenige Monate nach der Sprengung der Kirche 1968 im staatlichen Kunsthandel der DDR erworben. Der Erwerber, Jan-Pieter Hecht, gab das Fragment an die Kustodie zurück.

Warum hat der Christuskopf eine neue Frisur?

Nun konnten endlich beide Teile wieder zusammengeführt werden: Den originalen Kopf der Figur montierte der Steinrestaurator Thomas Schubert auf die Skulptur, indem er beide Teile über einen in zwei Bohrlöcher eingesteckten Dübel miteinander verband. Dabei verzichtete man auf eine Klebung, wodurch der Eingriff in das Kunstwerk reversibel bleibt. Der Kopf konnte passgenau aufgesetzt werden und fügt sich nun wieder wunderbar in das gesamte Kunstwerk ein.

Allerdings bietet sich nun beim Vergleich mit der historischen Fotografie auf der Aluminiumergänzung ein ganz anderes Bild. Während der Christus dort noch schulterlanges Haar trug, ist seine Frisur jetzt deutlich kürzer und endet bereits auf Ohrhöhe. Wie kann das sein? Wie konnte der Christuskopf auf mysteriöse Weise seine Frisur ändern? Aus der Nähe konnten die Restauratoren erkennen, dass die Locken im Schulterbereich und andere Ergänzungen eine deutlich spätere Hinzufügung, und nicht aus Alabaster, sondern aus gewöhnlichem Gips modelliert waren. Was könnte der Grund für diese Veränderung gewesen sein? Wir wissen es nicht genau. Die Vermutung liegt nahe, dass sich der Kopf schon in früherer Zeit vom Körper gelöst hatte und wieder neu montiert werden musste. So könnte die Langhaarfrisur eine Strategie gewesen sein, Reparaturen am Übergang vom Kopf zum Körper zu kaschieren.