Aktuelle Restaurierungsprojekte
Standortwechsel mit Folgen
Das sechsteilige großformatige Lederrelief „Geologische Impressionen“ von Günter Morck (1935–2017) wird im Zuge einer Standortveränderung von den Restauratorinnen der Kustodie von Grund auf gereinigt und untersucht. Im Anschluss soll es unter besseren Bedingungen wieder eingelagert werden.
Die konservatorischen Maßnahmen an der 180 x 580 cm großen Plastik finden im Rahmen einer Umlagerung statt, da die vorherigen Lagerbedingungen durch die zu feuchte Umgebung dem Objekt nicht zuträglich waren. Weißliche Ablagerungen auf der Oberfläche ließen befürchten, dass sich auf der Lederschicht Schimmel gebildet haben könnte, deshalb führten Kollegen des Institutes für Hygiene, Krankenhaushygiene und Umweltmedizin vom Universitätsklinikum Leipzig zunächst eine Beprobung durch, die es den Restauratorinnen ermöglichte, anschließend ein geeignetes Konzept für die Bearbeitung zu entwickeln. Das erleichternde Resultat der Analysen ergab, dass sich die vorgefundenen Schimmelpilzsporen nur oberflächlich auf der aufliegenden Staubschicht befanden und nicht in das Objekt eingedrungen waren, so dass eine Oberflächenreinigung unter Einhaltung gewisser Vorsichtsmaßnahmen sinnvoll erschien. Staubsauger mit speziellen Schadstofffiltern ausgestattet und entsprechende Schutzkleidung ermöglichten eine konzentrierte Reinigungsaktion auf einer eigens dafür eingerichteten Quarantänestation. An dieser Stelle danken wir Frau Prof. Chaberny, Frau Dr. Kolbe-Busch und Herrn Dr. Blume vom Institut für Hygiene, Krankenhaushygiene und Umweltmedizin für ihre Unterstützung im Vorfeld der Maßnahmen. Unterstützt wurden wir bei der Bearbeitung außerdem durch eine freiberufliche Restauratorin, Frau Dr. Bernadett Freysoldt, die neben den konservatorischen Maßnahmen auch analytische Materialproben durchführte, um die Kenntnis über die technologische Beschaffenheit des Kunstwerks zu erweitern.
Das Relief von Günter Morck entstand 1983/84 im Auftrag des Kombinats TAKRAF (Abkürzung für Tagebau-Ausrüstungen, Krane und Förderanlagen) für dessen Konferenzsaal in Halle 22 auf dem alten Messegelände. 1987 war es für einige Wochen in der Ausstellung „Handeinband-Werkkunst“ in der Galerie im Hörsaalbau der Universität Leipzig zu sehen. Als nach der Wende das Kombinat nicht, wie viele andere, von der Treuhand übernommen wurde, erhielt der Künstler sein Werk nach Abbruch des Pavillons zurück. Morck restaurierte das großformatige Objekt und übergab es der Universität Leipzig, wo man plante, das Kunstwerk im Neubau der Fakultät für Chemie und Geologie an der Philipp-Rosenthal-Straße unterzubringen. Dazu kam es jedoch nicht. Danach erfolgte eine Odyssee durch verschiedene Lagerorte, immer jedoch nur als Zwischenlagerung.
Das über einen modellierenden Gipsuntergrund gespannte Lederrelief besteht aus sechs Einzelplatten aus Ziegenleder, die passgenau aneinander montiert sind. Als Untergrund dienen sechs Holzplatten. Das Relief besteht im Kern aus Styropor und Gips, über die das Leder heiß geformt aufgespannt und anschließend eingefärbt wurde. Die einzelnen Trägerplatten können mit Abstandshölzern und Wandhaken separat an die Wand gebracht werden. Günter Morck stellt die Erdoberfläche dar: Die einzelnen Elemente erinnern an Gesteinsschichten, an Steinformationen in markanten Formen oder Steinverwerfungen. Von einem Mittelpunkt ausgehend, scheint die Erde aufzubrechen. Durch die Thematisierung der Erdkruste weist das Kunstwerk einen inhaltlichen Bezug zu dem im Tagebau tätigen TAKRAF Kombinat auf. Die aufgefächerten Erdschichten lassen zudem auch Assoziationen zu der durch den Tagebau offen gelegten Erdoberfläche aufkommen. Nach dem Abtragen der obersten Bodenschicht und dem Abräumen von Kies, Sand und Ton, kommt die Braunkohle zum Vorschein. Es handelt sich um ein Sedimentgestein, bestehend aus gepressten Pflanzen und auch Torfmooren, die vor Millionen von Jahren existierten. Zum Teil sind noch große Pflanzenteile, wie Baumstümpfe, darin zu finden, so dass eine grobe Struktur entsteht. Die in Deutschland geförderte Braunkohle stammt vorwiegend aus der Mitte des Tertiärs. Aufgrund des dargestellten Georeliefs und der bräunlichen Farbe des Materials kann das Kunstwerk als Anspielung auf die Abtragung von Erdschichten oder auch auf die Beschaffenheit von Braunkohle interpretiert werden.
RESTAURIERUNGSPROJEKT ZEICHNUNGSBESTAND TILESIUS VON TILENAU 1803-1806
DIPL.-REST. BETTINA KOSEL
2021-2023
Einen der bedeutendsten zeichnerischen Sammlungsbestände der Kustodie I Kunstsammlung der Universität Leipzig bilden die mehr als 200 Zeichnungen des Naturforschers und Künstlers Wilhelm Gottlieb Tilesius von Tilenau. Die Zeichnungen gehören zu einem weit größeren zeichnerischen Werkkomplex, welchen er während seiner Weltumseglung in den Jahren 1803-1806 schuf. Tilesius von Tilenau begleitete die Weltumseglung des Schiffes „Nadeschda“ vor 220 Jahren als Arzt, Forscher und Dokumentar. An die Universität Leipzig gelangte das Zeichnungskonvolut durch Tilesius´ Sohn, welcher es Mitte des 19. Jahrhunderts an das Zoologische Institut übergab. Im Jahr 1992 wechselten die Zeichnungen in die Verantwortung der Kustodie I Kunstsammlung der Universität Leipzig.
Derzeit werden die Zeichnungen innerhalb eines dreijährigen Projektes von Grafikrestauratorin Bettina Kosel erforscht und restauriert. Wissenschaftlich relevant sind die Zeichnungen nicht nur aus zoologisch-biologischer Sicht, sondern aufgrund ihres Informationsgehaltes zu Handels-, Transport- und Politikgeschichte. Kunst- und materialtechnologische Forschungsergebnisse können Aufschluss über die Arbeitsweise Tilesius von Tilenaus als Reisedokumentar geben.
Gefördert wurde und wird das Projekt von der Ernst von Siemens Kunststiftung – Coronahilfe und der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK).Der heutige Erhaltungszustand der Zeichnungen ist im Wesentlichen von äußeren Faktoren beeinflusst, welche in der Zeit nach ihrer Entstehung wirkten. Interne Faktoren wie säurehaltige Zeichenpapiere oder Tintenfraß spielen eine eher untergeordnete Rolle. Vermutlich bereits sehr früh entstand das typische Schadensbild der durch Feuchtigkeit und Schimmel geschwächten Papiersubstanz an den Blatträndern – möglicherweise bereits während der Expedition. Betroffene Bereiche und Risse wurden bereits in früher Zeit mit zeittypischen Papieren repariert.
Das gegenwärtige Erscheinungsbild der Zeichnungen ist des Weiteren insbesondere durch ihren Beschnitt und die wiederholte Neumontierung in verschiedenen Epochen geprägt.
Nachhaltige Veränderungen erfuhren die Zeichnungen während ihrer Nutzung durch das Zoologische Institut der Universität Leipzig. Der überwiegende Teil der Zeichnungen wurde in dieser Zeit auf Karton montiert, nummeriert und beschriftet, nachdem einem Großteil der Zeichnungen sämtliche Blattränder mit textlichen Beschreibungen abgeschnitten wurden. Diese Maßnahme diente augenscheinlich der Systematisierung der Zeichnungen. Die beschnittenen Textstreifen wurden auf dem unterliegenden Karton aufbewahrt. Die Rückführung dieses massiven Eingriffs ist wesentlicher Bestandteil des Restaurierungsprojektes. Die Zeichnungen und Textstreifen werden hierfür von den strohfaserhaltigen und säurehaltigen Kartons gelöst. Die beschnittenen Textstreifen werden unsichtbar an die Originalzeichnungen angesetzt.
Ein weiterer Teil des Restaurierungsprojektes ist die mechanische Stabilisierung der Zeichnungen selbst. Die stark geschwächten Blattränder und Risse werden mittels Ergänzungspapier und Klebstoff verstärkt und geschlossen. Ist das Papier derart abgebaut, dass durch diese Art der Bearbeitung neue Sollbruchstellen zu befürchten stehen, wird das Papier mit Papierfasern über- und angefasert.
Risse, welche bereits früher repariert wurden, werden in ihrem Zustand belassen. Die kunsttechnologische Beschäftigung mit dem Zeichnungsbestand zeigte, dass Reparaturen unter anderem bereits von Tilesius selbst ausgeführt wurden. Er verwendete von ihm verworfene Zeichnungsstücke, welche mit der Zeichnung nach innen als Reparaturpapier aufgeklebt wurden.
Rissreparaturen werden entfernt, sofern es sich um neuzeitliche Selbstklebebänder handelt, von denen starke Schädigungen des Originalpapiers zu erwarten sind. Die Reinigung der meist mäßig verschmutzten Zeichnungen erfolgt mit Naturkautschukschwamm, Restaurierungsradierer, als auch Kosmetikschwämmen. So dies Zeichnung und Vorzeichnung zulassen, werden Vorder- und Rückseite gereinigt. Neben der Staubverschmutzung weisen zahlreiche Zeichnungen auffällig intensive Verschmutzungen durch Fliegenexkremente auf. Da angenommen werden kann, dass die Zeichnungen in den vergangenen Jahrzehnten adäquat in geschlossenen Verpackungen gelagert wurden, ist die beschriebene Art der Verschmutzung früh zu datieren.
Ihren Abschluss findet die Restaurierung jeder der 236 Zeichnungen in der archivgerechten Lagerung und Präsentation in ausreichend starken Passepartouts. Die Montierung ist derart ausgeführt, dass die umfangreichen textlichen Erläuterungen auf den Zeichnungsrückseiten für die wissenschaftliche Forschung /Erschließung zugänglich bleiben.
In erheblichem Maße werden auch bereits in den vergangenen Jahrzehnten in Passepartouts aufgelegte Zeichnungen nochmals bearbeitet. Die damalige Verwendung nicht archivgerechter Materialien macht dies notwendig.
Die Fortsetzung des Restaurierungsprojektes soll in der Zukunft der bereits begonnenen kunsttechnologischen Erschließung der Zeichnungen Tilesius von Tilenaus gewidmet sein. Nur das genaue Erfassen der verwendeten Zeichenmaterialien kann Aufschluss über die Arbeitsweise Tilesius' während der Expedition und in den darauffolgenden Jahren geben. Aktuell wird bereits mit der Erfassung der von Tilesius verwendeten Papiere begonnen. Die Untersuchung der verwendeten Zeichenmittel steht noch aus.
Für die großzügige Förderung des aktuellen Forschungs- und Restaurierungsvorhabens danken wir der Ernst von Siemens Kunststiftung und der Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts (KEK) sehr herzlich.
Text: Bettina Kosel