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Verschollen, wiederentdeckt und aufbereitet: Nachdem man 2006 originale Fragmente der beiden Fürstenhauserker fand, wurde erst kürzlich ihre Restaurierung abgeschlossen. Künftig sollen die Fragmente wieder ausgestellt werden.


Versatzstücke aus der Vergangenheit sind allgegenwärtig, auch wenn wir für sie oftmals kein Bewusstsein haben. So ist das beispielsweise bei dem runden Erker über der Eisdiele "San Remo" an der Grimmaischen Straße. Der Erker sieht historisch aus, ist aber nur eine Rekonstruktion. Er kopiert zwei originale Erker, die früher das ehemalige Fürstenhaus schmückten, ein im Krieg zerstörter Renaissancebau schräg gegenüber der Eisdiele (ungefähr dort, wo heute ein Schuhladen eine Leipziger Filiale hält). 

Seine damalige Gestalt erhielt das Fürstenhaus 1558 durch den Leipziger Steinmetz und Baumeister Paul Wiedemann, der an vielerlei Renaissancebauten beteiligt war. 1648 erwarb die Leipziger Universität das Gebäude, nutzte es allerdings hauptsächlich zur Vermietung an Privatpersonen. Seinen Erkern verdankte das Fürstenhaus seit jeher besonderen Ruhm, wie auch Cornelius Gurlitt 1895 berichtet: „Das Prunkstück der Fassade gegen die Grimmaische Strasse sind die beiden in Rochlitzer Stein mit meisterhafter Behandlung des spröden Stoffs hergestellten Erker“. Die Originale galten lange als verloren, bis sie 2006 auf dem Werkhof eines Dresdener Steinmetzbetriebs als Fragmente wiederentdeckt wurden: Für die Rekonstruktion des heute am Haus über der Eisdiele befindlichen Erkers hatte man sie in den 1980er Jahren dort hingebracht, und anschließend waren sie wohl in Vergessenheit geraten.

Nun sind alle von diesen Erkern noch erhaltenen Fragmente wieder an die Universität zurückgekehrt. Es handelt sich um gut 25 Steinelemente, darunter typisch antikisierende Renaissanceformen wie Eierstäbe, Triglyphen oder Guttae (Tränen), aber auch Wappen, Portraits, Schrift- und Flechtbänder. Nachdem sie mehrere Jahre ungeschützt im Außenraum gelagert worden waren, mussten sie einer eingehenden Restaurierung, vor allem Reinigung, unterzogen werden. Bei größeren, zusammenhängenden Teilen löste man außerdem alte Gipsergänzungen auf, anschließend wurden sie neu zusammengesetzt und mit Metallstreben gesichert. Farbuntersuchungen ergaben, dass die Erker ehemals vielfarbig gestaltet waren: In den Anfangsjahren noch aufwendiger, die letzte und jüngste Schicht war dann nur noch einfarbig gehalten.

Der glückliche Fund soll nun ab Herbst 2024 in Form eines Lapidariums im Seminargebäude auf dem Campus Augustusplatz ausgestellt werden. Nach knapp 80 Jahren werden Teile dieses bedeutenden Renaissancegebäudes wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Julian Meinke